Belagerung von Kanpur

Gerechtigkeit - zeitgenössische Karikatur im Magazin Punch

Die Belagerung von Kanpur ist ein Ereignis im Rahmen des Indischen Aufstands von 1857. In der Garnison von Kanpur verschanzte britische Militärs, Beamte und Zivilpersonen wurden dabei über mehrere Wochen von aufständischen indischen Truppen unter Leitung von Nana Sahib belagert. Nach langem schweren Beschuss, bei der eine große Zahl der Verschanzten ums Leben kam, nahmen die in der Garnison befindlichen Militärs die von Nana Sahib angebotenen Kapitulationsbedingungen an. Diese versprachen einen freien Abzug. Bei der Besteigung der Boote am Gangeshafen Sati Chowra eröffneten die indischen Truppen jedoch das Feuer. Die überlebenden britischen Männer wurden nahezu alle an Ort und Stelle erschossen. Nur einer Handvoll gelang die Flucht. Etwa 125 britische Frauen und Kinder überlebten und wurden zurück nach Kanpur gebracht. In Kanpur wurden sie gemeinsam mit anderen britischen Flüchtlingen – überwiegend ebenfalls Frauen und Kinder – in einem Haus mit der Bezeichnung Bibighar eingesperrt. Kurz bevor britische Truppen Kanpur eroberten, wurden diese Gefangenen – insgesamt 73 Frauen und 124 Kinder[1] – mit Äxten und Beilen erschlagen.

Für die britische Öffentlichkeit waren die in Kanpur erfolgten Massaker ein Ereignis traumatischen Ausmaßes, das sie stärker beschäftigte als der an Opfern deutlich verlustreichere Krimkrieg.[2] Zeitgenossen wie der angesehene Historiker George Trevelyan bezeichneten die Belagerung als „die schrecklichste Tragödie unseres Zeitalters“ oder „das größte Desaster für unsere Rasse“.[3] Gemeinsam mit der Belagerung von Lakhnau zählen die Ereignisse in Kanpur noch heute aus britischer Sicht zu den „großen Opferdramen“ des Aufstands.[4] Das im Anschluss an die Belagerung erfolgte Massaker an wehrlosen Frauen und Kindern ließ die Briten ihre bislang schon sehr aggressive Kriegsführung nochmals deutlich verschärfen und zu harten Repressionsmaßnahmen greifen. Diese fanden zunächst in der britischen Öffentlichkeit breite Zustimmung. So forderten einzelne als Vergeltungsmaßnahme für das in Kanpur erfolgte Massaker die völlige Zerstörung von Delhi und die Hinrichtung aller, die in irgendeiner Weise mit dem Aufstand assoziiert waren.[1] Es mehrten sich allerdings bereits kurz nach 1857 auch in der britischen Öffentlichkeit Stimmen, die die Repressalien als unangemessen beurteilten.

  1. a b Dalrymple, S. 303
  2. siehe dafür die ausführliche Studien von Christopher Herbert: War of no Pity. The Indian Mutiny and Victorian Trauma, Princeton University Press, Princeton 2008, ISBN 978-0-691-13332-4
  3. Beide Zitate stammen aus George Trevelyan: Cawnpore, 1865 - zitiert nach Herbert, S. 183
  4. Ward, S. 243

© MMXXIII Rich X Search. We shall prevail. All rights reserved. Rich X Search